Verfahrensrecht - Pfändung einer Internet-Domain durch das Finanzamt zulässig (FG)
09.11.2015
Mit dem Urteil vom 16.09.2015 hat der 7. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass das Finanzamt die Ansprüche aus einem Internet-Domainvertrag pfänden kann (FG Münster, Urteil v. 16.9.2015 - 7 K 781/14 AO).
Sachverhalt:
Die Klägerin - eine Genossenschaft, die als Registrierungsstelle Internet-Domains verwaltet und betreibt - hatte mit dem Inhaber eines Onlineshops für Unterhaltungselektronik einen Vertrag über die Registrierung einer Internet-Domain geschlossen. In dem Vertrag hatte sie sich vor allem dazu verpflichtet, eine Internet-Domain zur Verfügung zu stellen und diese zu betreiben. Das beklagte Finanzamt (FA) hatte aber - aufgrund rückständiger Steuern des Onlineshop-Betreibers - unter anderem dessen Anspruch auf die Aufrechterhaltung der Registrierung der Internet-Domain für seinen Onlineshop gepfändet. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrte die Genossenschaft die Aufhebung der Pfändung. Das FG Münster wies die Klage ab.
Gründe:
- Der Domain komme - so das FG - keine etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichneten sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain sei lediglich eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die darauf beruhe, dass eine Internet-Domain nur einmal von der Klägerin vergeben wird, sei allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO.
- Die Inhaberschaft an einer "Internet-Domain" gründe sich deshalb auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle - hier der Genossenschaft - aus dem Registrierungsvertrag zustehen. Diese Ansprüche - und nicht die „Internet-Domain“ selbst - seien Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO. Bei den Rechten des Unternehmers aus dem Domainvertrag handele es sich somit um pfändbare Vermögensrechte im Sinne der abgabenrechtlichen Pfändungsvorschriften.
- Das beklagte FA habe mit der Pfändung auch keine pfändungsfremden Ziele verfolgt, sondern sich das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Unternehmers aus dem Domainvertrag gesichert. Die Pfändungsverfügung des FA pfände den Anspruch auf Aufrechterhaltung einer konkreten Registrierung als Hauptanspruch des Vollstreckungsschuldners aus dem mit der Klägerin geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche. Hierin liege weder ein unzulässiges „Einfrieren“ des Vertrages noch eine unzulässige Leistungsforderung an den Vollstreckungsgläubiger, noch eine Vernichtung des wirtschaftlichen Wertes der Domain durch das Leistungsverbot.
- Die Genossenschaft könne als Drittschuldnerin in Anspruch genommen werden, da sie Schuldnerin der Ansprüche aus dem Domainvertrag sei. Der Umstand, dass für die Genossenschaft durch eine zunehmende Zahl solcher Pfändungen künftig ein nicht unerheblicher Arbeits- und Verwaltungsaufwand entstehen könnte, sei dabei unerheblich.
Hinweis:
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das FG die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Quelle:
Pressemitteilung Nr. 11 vom 15.10.2015, Finanzgericht Münster, Justiz-online.